Protest gegen Temer: Brasília brennt

Protest gegen Temer: Brasília brennt

Brasiliens Präsident Temer hat per Dekret die Armee auf die Straßen der Hauptstadt geschickt. Er ordnete den Einsatz der Streitkräfte an, nachdem Demonstranten mehrere Ministerien verwüstet und in Brand gesteckt hatten.

Foto: Lula Marques/Agência PT

Rund 150.000 Menschen hatten am Mittwoch Temers Rücktritt und Neuwahlen gefordert. Die Gewerkschaften des Landes sowie die Oppositon hatten zu der Demonstration aufgerufen.

Obwohl Temer betonte, die Soldaten sollten lediglich die staatlichen Einrichtungen schützen, wurde seine Entscheidung scharf kritisierte. Ein Richter des Obersten Gerichtshofs sagte, dass er hoffe, die Meldung stimme nicht. Die Oppositionsparteien im Parlament verließen nach Bekanntwerden des Dekrets geschlossen den Plenarsaal. Behelmte Soldaten mit Gewehren in der Hauptstadt wecken in Brasilien automatisch Erinnerungen an den Militärputsch von 1964. Zumal die konservative Regierung von Temer von vielen Brasilianern als illegal angesehen wird, weil sie nur über die fragwürdige Absetzung der demokratisch gewählten Präsidentin Dilma Rousseff an die Macht gekommen ist.

Als „Golpista“ – Putschist – wird Temer häufig bezeichnet. Er begann nach Amtsantritt eine neoliberale Agenda durchzusetzen, für die er keine demokratische Legitimation hat. So will er etwa Renten- und Arbeitsrecht zum Nachteil der Arbeitnehmer ändern. Auch gegen diese Politik richteten sich die Demonstranten.

Nachdem der Protestmarsch durch Brasília zunächst friedlich verlaufen war, stürmten verschiedene Gruppen acht Ministerien, zerstörten die Einrichtung und Computer und legten Feuer in zwei Gebäuden. Die Polizei schoss mit Tränengas und Gummigeschossen. Bilder und die Funde von Patronenhülsen belegen aber auch, dass die Polizei mit scharfer Munition auf die Demonstranten schoss. Mindestens 49 Menschen wurden verletzt, acht festgenommen.

Zu dem Protestmarsch waren Brasilianer aus dem gesamten Land angereist. Die Wut über die korrupte politische Klasse hat enorm zugenommen, seit vergangene Woche ein Gespräch bekannt wurde, in dem Präsident Temer die Straftaten eines Unternehmers billigt, etwa den Kauf von Richtern. Neben Temer werden auch acht seiner Minister und mehr als 200 Kongressabgeordnete von der Justiz untersucht.

Der einzige Ausweg aus der Krise lautet daher für viele Brasilianer: Rücktritt Temers und die Ansetzung von Neuwahlen. Doch Temer denkt überhaupt nicht daran. Er hat sich in einem Interview als Opfer eines Hinterhalts bezeichnet und sagt: „Ihr müsst mich schon stürzen.“ Dass er nun die Armee auf die Straße beordert, kann als Verzweiflungstat interpretiert werden. Selbst aus den eigenen Reihen wird er dafür kritisiert. Es sei zwar verfassungsgemäß, die Armee einzusetzen, sagte Temers Parteikollege, der ehemalige Senatspräsident Renan Calheiros. Aber diese Entscheidung zu einem Moment zu treffen, in dem das Land drohe, Feuer zu fangen, befinde sich am Rande der Unvernunft und Verantwortungslosigkeit.

In einer Stellungnahme zur Rechtfertigung des Armeeeinsatzes sagte Präsident Temer, dass Vandalismus und die Zerstörung des öffentlichen Eigentums nicht hingenommen werden können. Die Antwort aus dem Netz kam prompt. Dass die wirklichen Vandalen, die das Land ausplünderten und zerstörten, die korrupten Politiker seien. Man kann der Argumentation angesichts des Ausmaßes der Korruption in Brasília die Plausibilität nicht absprechen.