Brasilien: Das Gelbfieber ist zurück.

Brasilien: Das Gelbfieber ist zurück.

Nein, der Ausbruch des Gelbfiebers ist nicht das größte Problem Brasiliens. Hier werden jedes Jahr rund 55.000 Menschen gewaltsam getötet. Fast ebenso viele sterben bei Verkehrsunfällen.

Hinzu kommen eine epidemische Korruption – Platz 79 von 179 Ländern im Ranking von Transparency International – und enorme Schulden, die beispielsweise der Bundesstaat Rio de Janeiro sich auch durch Olympia 2016 aufgeladen hat und nun so verarmt ist, dass er seine Infrastruktur nicht aufrechterhalten kann – auch nicht die in den Krankenhäusern.

Aber die erneute – und überraschend heftige – Rückkehr des lebensgefährlichen Gelbfiebers ist ein Symptom: für die Ignoranz einer abgehobenen politischen Klasse gegenüber existentiellen Problemen der Bevölkerung. Und für ein Gesundheitssystem, das zeigt, wie man nicht mit Epidemien umgehen sollte.

Hatte es 2012 keinen einzigen Fall von Gelbfieber in Brasilien gegeben und 2016 lediglich sechs, so wurden in diesem Jahr bereits 439 Verdachtsfälle registriert, 70 davon bestätigt. Getötet hat das Gelbfieber in diesem Jahr 41 Menschen, 49 weitere Todesfälle werden untersucht. Es ist der schlimmste Ausbruch der Krankheit in Brasilien seit 15 Jahren.

Dabei hätte man gewarnt sein können. Der Epidemien-Forscher Eduardo Massad von der Universität São Paulo sagte, dass man den Ausbruch des Gelbfiebers auf dem Land erwartet habe. „Wir sitzen auf einer Zeitbombe“, sagte er an und warnte vor dem Risiko einer Gelbfieberepidemie in den Städten. Diese hätte schlimmerer Folgen als die Verbreitung der ebenfalls von Mücken übertragenen Infektionskrankheiten Zika, Dengue und Chikungunya gemeinsam.

Dabei wäre das Gelbfieber-Virus einfach zu besiegen. Mit einer flächendeckenden Impfung hätte es keine Chance. Aber in Brasilien, neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt, haben sich nur 63 Prozent der Menschen in den letzten zehn Jahren gegen Gelbfieber impfen lassen. Im Bundesstaat Minas Gerais, dem Herd des jetzigen Ausbruchs, sind nur 50 Prozent geimpft. Dort wurde 2009 der letzte Fall von Gelbfieber registriert. Nun sind dort bereits 38 Menschen an Gelbfieber gestorben. Es lässt sich folgern, dass der jetzige Ausbruch in erster Linie mit der fehlenden Impfdichte zu tun hat. Dabei zählt das riesige Minas Gerais mit seinen 21 Millionen Einwohnern zu den brasilianischen Bundesstaaten, die schon lange als Risikogebiete ausgewiesen sind, in denen also eine Impfung dringend empfohlen wird.

Dass dort so wenige Menschen geimpft sind, spricht für die fehlende Aufklärung großer Teile der ländlichen (und ärmeren) Bevölkerung und für fehlenden Zugang zum Gesundheitssystem. Die Gesundheitsstationen befinden sich oft weit entfernt und für viele Menschen ist die Fahrt dorthin schlicht zu teuer. Anstatt die in Brasilien kostenlose Impfung aber zu den Menschen zu bringen, mit der WHO zusammenzuarbeiten und Aufklärungskampagnen zu starten, setzt man auf Freiwilligkeit. Das rächt sich nun. Und was ist in dieser Situation eigentlich von Ricardo Barros, Brasiliens Gesundheitsminister, zu halten? Anstatt die Bevölkerung zu animieren, sich untersuchen zu lassen, hat er gesagt, dass viele Menschen, die in öffentliche Gesundheitsstationen kämen, Krankheiten erfinden würden.

Der Virologe Luiz Tadeu Figueiredo, einer der besten seines Fachs in Brasiliens, liegt daher völlig richtig, wenn er fordert, dass die Regierung endlich aufhören solle, „zu improvisieren“. Denn wie schon bei Zika, das die Hirne von Embryos infizierter Schwangerer schädigen kann und dem ansonsten gefährlicheren Dengue-Fieber hat Brasiliens Regierung keine Antworten auf die von Moskitos übertragenen Seuchen parat.

Mit Dengue infizieren sich mittlerweile jährlich rund 1,5 Millionen Brasilianer. Aber die Regierung scheint immer abzuwarten, bis die Zahlen nach dem Sommer wieder sinken und das Problem aus den Medien verschwindet. Einen systematischen Ansatz gibt es nicht. Die Kampagne gegen Zika 2016 hatte denn auch nur ein Ziel: dem Rest der Welt vor den Olympischen Spielen vorzugaukeln, man gehe gegen das Virus vor. Seit dem Ende der Spiele wird in Brasilien nicht mehr über Zika geredet.

Generell wird zwischen zwei Gelbfieberarten unterschieden. Das Dschungelgelbfieber in ländlichen Regionen, das von Mücken der Typen Haemagogus und Sabethes auf den Menschen gelangt. Und das Stadtgelbfieber, das von Mücken vom Typ Aedes aegypti übertragen wird.

Dass es seit 1942 keinen einzigen Fall mehr von Urbanem Gelbfieber gegeben habe, betont die Regierung von Präsident Michel Temer nun immer wieder. Ihre kriminell nachlässige Politik trägt dazu bei, dass sich dies bald ändern könnte.