Brasiliens korrupte Fleischbarone

Brasiliens korrupte Fleischbarone

Der Coup der Gebrüder Joesley und Wesley Batista begann am 19. Februar. Er sollte die beiden Unternehmer vor dem Gefängnis bewahren – und würde Brasilien in eine Staatskrise führen. Gegen Mittag ging an dem Tag bei der Bundesanwaltschaft in Brasília ein Anruf ein.

Foto: Agência Brasil Fotografias – Joesley Batista presta depoimento na Polícia Federal em SP, CC BY 2.0, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=61606284

In der Leitung war der juristische Berater der Firma JBS, dem größten Fleischproduzenten der Welt. Er kündigte an, dass die Firmenchefs Joesley und Wesley Batista in allen laufenden Untersuchungen gegen sie gestehen und mit der Justiz kollaborieren würden. Es hieß nichts anderes, als dass sie umfangreiche Kronzeugenaussagen machen würden: also andere belasten, um selbst den Kopf aus der Schlinge zu ziehen. Sie wollten einen großen Fisch an die Angel der Ermittler liefern.

Zwei Wochen später fuhr Joesley Batista zur Residenz des brasilianischen Präsidenten . Dieser Empfing ihn, nicht ahnend, dass der 44-jährige Batista in seinem Jackett ein Aufnahmegerät versteckt hatte. Batista erzählte dem Präsidenten nun von allerlei Schweinereien – etwa, dass man zwei Richter schmiere, worauf sagt: „Sehr gut, sehr gut.“ Oder dass man dem Ex-Vorsitzenden des Parlaments, der wegen Korruption im Gefängnis sitzt, ein Schweigegeld zahle, was ebenfalls wohlwollend kommentiert.

Mit dieser und weiteren Aufnahmen marschierten die Batista-Brüder zur Staatsanwaltschaft. Als ihre Aussagen an die Medien gelangten, stoppte in Brasília der Politikbetrieb. Der Handel an der Börse in São Paulo, der größten Südamerikas, wurde wegen dramatischer Kurseinbrüche ausgesetzt, die brasilianische Währung Real gab enorm nach. Die Erholung, welche die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt in den letzten Monaten erlebte, war mit binnen weniger Stunden zunichte gemacht.

Die Brasilianer wissen nun nicht, ob sie den Batista-Brüdern dafür dankbar sein sollen, dass sie den unbeliebten ans Messer geliefert haben. Oder ob sie die Firmenbosse für ihre Unverfrorenheit hassen sollen. Denn Joesley und der etwas ältere Wesley Batista setzten sich noch vor der Veröffentlichung ihrer Aussagen im Privatjet nach New York ab. Dort residieren sie nun in einem Luxusapartment im Herzen Manhattans und beobachten aus sicherer Entfernung das Drama, das sich in ihrer Heimat entfaltet.

Aber wer sind die Brüder, die Brasilien ins politische Chaos gestürzt haben? Deren Enthüllungen Massenproteste in Brasília provozierten, bei denen Demonstranten mehrere Ministerien in Brand steckten und Präsident die Armee auf die Straße beordert, was wiederum Erinnerungen an die Militärdiktatur (1964-1985) wachrief?

Joesley und Wesley Batista tauchten 2007 auf der Bühne des internationalen Kapitalismus auf. Damals kaufte ihr Unternehmen JBS den US-Fleischproduzenten Swift und avancierte zur weltweit größten Firma der Fleischbranche. JBS war 1953 vom Vater der Batistas gegründet worden, der die Arbeiter mit Fleisch versorgte, die damals die neue Hauptstadt Brasília bauten.

Heute hat JBS weltweit rund 240.000 Angestellte in 30 Ländern und verzeichnete 2014 einen Umsatz von umgerechnet rund 34 Milliarden Euro. Damit ist JBS das drittgrößte Privatunternehmen Brasiliens und nach Nestlé der zweitgrößte Lebensmittelkonzern der Welt. Wer in Brasilien Fleisch isst, kommt an Produkten von JBS kaum vorbei. In Europa hörte die Öffentlichkeit vor wenigen Wochen von JBS im Zusammenhang mit einem Gammelfleischskandal. Schlachthäuser des Unternehmens hatten Produkte in den weltweiten Handel gebracht, dessen Haltbarkeit abgelaufen war.

Zwar werden die Batista-Brüder häufig als Fleischbarone bezeichnet. Aber sie mischen heute in den verschiedensten Branchen mit. JBS ist Teil der von ihnen kontrollierten Holding J&F. Zu ihr zählen Milchkonzerne, Hersteller von Hygieneprodukten, eine Holzfirma, eine Bank, ein Fernsehkanal, der sich mit Landwirtschaft beschäftigt, eine Unternehmen für regenerative Energien sowie verschiedene Textilhersteller, darunter die bekannte Schlappenfirma Havaianas und der Sportschuhproduzent Mizuno.

Zum öffentlichen Gesicht des Batista-Imperiums wurde Joesley Batista. Er kultivierte das Image eines bodenständigen Unternehmers, der an Familienwerten orientiert ist und hart arbeitet. Doch der Aufstieg von JBS ist nicht ohne Korruption zu erklären. Die Batistas schmierten jahrelang die Parlamente, die dafür sorgten, dass Gesetze zum Vorteil des Konzerns erlassen wurden. Unter dem Einfluss der Politik gewährten staatliche Banken sträflich großzügige Kredite, mit denen die Batistas andere Unternehmen aufkauften. Nur so konnte JBS in der vergangenen Dekade zu einem sogenannten nationalen Champion wachsen. So nennt man in Brasilien Firmen, die auf dem Binnenmarkt eine dominante Stellung erlangen und auch international mitmischen.

Das Ausmaß der Korruption, das nun aufgrund mehrerer verdeckter Ermittlungen der Polizei offenbar wird, ist atemberaubend. Auf einer Schmiergeldliste, die ein JBS-Manager präsentierte, tauchen 1829 Politiker auf. Sie gehören insgesamt 28 Parteien an, manche sind Lokalpolitiker, andere Minister. „Wir wollten uns eine Reserve von Entscheidungsträgern halten“, erklärte der Manager die enormen Geldaufwendungen. Im Wahlkampf 2014 ließ JBS umgerechnet 100 Millionen Euro in die Taschen von Politikern fließen. Etwa ein Drittel des aktuellen brasilianischen Kongresses wurde von JBS geschmiert.

Als Strafe für ihre Vergehen muss jeder der Batistas nun umgerechnet 65 Millionen Euro zahlen. Vom Unternehmen selbst will die Staatsanwaltschaft drei Milliarden Euro, die Batistas haben 300.000 Euro angeboten. Fest steht, dass Joesley und Wesley Batista trotz ihrer enormen Vergehen nicht ins Gefängnis müssen. Der Coup der Milliardäre, so scheint es, ist aufgegangen. In Brasilien hört man nun immer öfter das Sprichwort: „Kleine Diebe hängt man an den Galgen. Die großen an goldene Ketten.“