Brasiliens Präsident in der Falle

Brasiliens Präsident in der Falle

Die Abendnachrichten des Globo-Konzerns ließen die Bombe platzen, die Brasilien erneut in eine tiefe politische Krise katapultiert hat.

Foto: WIKIMEDIA COMMONS/DIEGO DEAA

Präsident Temer wurde dabei aufgenommen, wie er über einen Mittelsmann das Schweigen eines der korruptesten Politikers Brasiliens erkaufen lässt, der schon seit Monaten im Gefängnis sitzt.

Pikanterweise war es Joesley Batista, der die Aufnahme anfertigte. Batista ist Chef von JBS, dem größten Fleischkonzern der Welt, der vor einigen Wochen wegen eines Gammelfleischskandals in den internationalen Medien war. Gemeinsam mit seinem Bruder Wesley sowie sieben JBS-Managern präsentierte Joesley Batista das belastende Material gegen Temer direkt beim Obersten Gerichtshof in Brasília. Dieser ist für die Untersuchungen gegen Mandatsträger zuständig.

Die Batista-Brüder machten ihre Aussagen im Zuge einer Kronzeugenregelung. Sie waren vorgeladen worden worden, weil der JBS-Konzern im Verdacht steht, im große Still illegale Parteispenden geleistet zu haben. Im Tausch wurde JBS offenbar bei Kreditvergaben der staatlichen Entwicklungsbank BNDES bevorzugt. Die Firma ist zuletzt enorm expandiert.

In der nun veröffentlichten, ebenso belastenden wie peinlichen Tonaufnahme ist Brasiliens Staatsoberhaupt Michel Temer zu hören, wie er die Übergabe von umgerechnet rund 150.000 Euro durch einen Mittelsmann an den inhaftierten Ex-Parlamentspräsidenten Eduardo Cunha billigt. Wörtlich sagt Temer zu Joesley Batista: „Das [Schweigen] muss aufrecht erhalten bleiben, okay!“ Die Aufnahme wurde am 7. März dieses Jahres in Temers offizieller Residenz in Brasília gemacht. Mit der Übergabe des Geldes beauftragt wird ein Parlamentsabgeordneter von Temers Partei PMDB. Dieser wurde dabei gefilmt, wie er einen Geldkoffer mit umgerechnet 150.000 Euro in Empfang nimmt.

Offenbar hatte die brasilianische Bundespolizei diese und weitere Schmiergeldübergaben mit den Batista-Brüdern und anderen JBS-Managern abgesprochen. Die Seriennummern aller Banknoten waren zuvor registriert und die Geldkoffer mit Chips ausgestattet worden, um ihre Wege verfolgen zu können.

Präsident Temer leugnete noch am Mittwochabend, dass er das Schweigen des inhaftierten Cunhas habe erkaufen wollen. Er rief sein Kabinett zu einer Dringlichkeitssitzung zusammen. Eduardo Cunha, auch er gehört zu Temers PMDB, war bis vergangenen Sommer Parlamentspräsident in Brasilía und einer der am besten vernetzten Politiker des Landes. Er war es, der das dubiose Amtsenthebungsverfahren gegen Dilma Rousseff initiierte, nachdem ihre Arbeiterpartei (PT) für einer Untersuchung gegen ihn wegen Korruption im Ethikausschuss gestimmt hatte. Damals hatte Cunha gedroht, dass er eine Menge Leute mit in den Abgrund ziehen werde.

Es ist heute klarer denn je, dass die von Cunha und Temer gemeinsam orchestrierte Amtsenthebung Rousseffs vor allem dem Ziel dienen sollte, die Ermittlungen im Petrobras-Korruptionskandal zu stoppen, denen Rousseff zum Ärger vieler Politiker freien Lauf ließ.

Vizepräsident Temer war der Nutznießer des Impeachments, als er ohne Wahlen neues Staatsoberhaupt Brasiliens wurde. Er begann damit, eine konservative Agenda durchzusetzen, für die er kein Mandat besaß. Und er leugnete stets, in irgendwelche korrupten Machenschaften verwickelt zu sein, obwohl er von Managern des Baukonzerns Odebrecht beschuldigt wurde, illegale Wahlkampfhilfen des Konzerns erbeten und erhalten zu haben.

Ein weiterer hochrangiger Politiker, dessen Karriere am Mittwochabend zu Ende gegangen sein dürfte – wenn es denn mit rechten Dinge zuginge –, ist Aécio Neves von der konservativen Partei PSDB. Neves war 2014 im Präsidentschaftswahlkampf gegen Rousseff unterlegen und gehörte seitdem zu ihren schärfsten und immer streng moralisch argumentierenden Kritikern. Auch er hat stets beteuert, sauber zu sein. Ihn filmte die Polizei, wie er umgerechnet 600.000 Euro von Joesley Batista erbittet. Das Geld landete schließlich auf dem Konto eines engen Parteifreundes von Neves, wie die Polizei nachverfolgte.

Die neuesten Enthüllungen ergänzen die Untersuchungen der gigantischen Korruptionsaffäre rund um den staatlichen Erdölkonzern Petrobras. Diese beschäftigen die Brasilianer seit nunmehr drei Jahren. Sie haben den Eindruck entstehen lassen, dass das gesamte politische Personal des Landes in unisono mit der Wirtschaftselite korrupt ist. Neben Temer werden zurzeit acht seiner Minister, zehn Landesgouverneure und Dutzende Senatoren und Abgeordnete verdächtigt, die Gesetze gebrochen zu haben. Sie alle leugnen die Anschuldigungen und sehen keine Gründe, Konsequenzen zu ziehen.

Nach Bekanntwerden der belastenden Aufnahmen gegen Präsident Temer stürzten die Aktien brasilianischer Konzerne an den Märkten ab. Sollte Temer zurücktreten oder abgesetzt werden, würde automatisch Parlamentspräsident Rodrigo Maia neue Staatsoberhaupt. Für Donnerstag wurden in vielen Städten Brasiliens spontane Demonstrationen für die Absetzung Temers sowie sofortige Neuwahlen angekündigt.