Ein Porträt von Raquel Dodge

Ein Porträt von Raquel Dodge

Mit einem Zitat des Papstes nahm sie ihre Arbeit auf. Dass die Korruption keine Handlung sei, sagte Raquel Dodge bei ihrer Amtseinführung, sondern eine Art zu leben, in der man sich einrichte.

Foto: Por Senado Federal – CCJ – Comissão de Constituição, Justiça e Cidadania, CC BY 2.0, www.commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=62806212

Damit benannte Brasiliens neue Generalstaatsanwältin bereits das dringendste Problem des Landes: Die neuntgrößte Volkswirtschaft der Welt wird seit vier Jahren von einem Korruptionsskandal erschüttert, dessen Aufklärung wöchentlich neue, schier unfassbare Vorgänge ans Licht bringt. Er gilt als größter bekannt gewordener Korruptionsskandal der Welt. Er hat den Erdölkonzern Petrobras abstürzen lassen, die Bosse der führenden Unternehmen Brasiliens hinter Gitter gebracht und die politische Klasse komplett diskreditiert. Bei der Bevölkerung hat sich der Eindruck festgesetzt, dass es keinen Politiker mehr gibt, der nicht korrupt ist.

Und so hat Raquel Dodge in den kommenden Jahren einen der wichtigsten und verantwortungsvollsten Jobs Brasiliens: Sie wird die Ermittlungsverfahren gegen hochrangige Politiker leiten und, wenn nötig, Anklage gegen sie vor dem Obersten Gerichtshof in Brasília erheben.

Es entbehrte also nicht einer gewissen Ironie, dass bei ihrer Amtseinführung die Spitzen der brasilianischen Regierung anwesend waren, allen voran Präsident Michel Temer. Erst vor wenigen Tagen war er zum zweiten Mal wegen Korruption angeklagt worden – und zwar von Raquel Dodges Vorgänger Rodrigo Janot. Nun muss – eine Besonderheit Brasiliens – das Parlament darüber entscheiden, ob ein Prozess gegen Temer eingeleitet werden kann. Die Eröffnung eines ersten Prozesses gegen ihn war im August vom Parlament bereits abgeschmettert worden.

Wie Raquel Dodge die Untersuchungen ihres Vorgängers gegen den Präsident Temer bewertet und ob sie diese weiterführen wird, ist nicht klar. Temer selbst hat Raquel Dodge zur Nachfolgerin von Rodrigo Janot ernannt – und sich davon offenbar Vorteile versprochen. Denn Dodge galt als Rivalin des hartnäckigen, manchmal übereifrigen Janot. Letzterer kam denn auch nicht zu Dodges Amtseinführung, ließ aber ausrichten: „Etwas ist faul im Staate Dänemark.“

Ob und wie Dodge die gigantischen Korruptionsuntersuchungen unter dem Codenamen Lava Jato („Waschanlage“) fortführen wird, ist ungewiss. Zwar sagte die 56-Jährige, dass die Bevölkerung die Korruption nicht toleriere, betonte aber auch, dass die „Harmonie zwischen den Institutionen die Voraussetzung für Stabilität“ sei.

Der Satz ließ Präsident Temer lächeln. Er betont immer wieder, dass er zu unrecht von der Justiz verfolgt werde. Eine Behauptung, die ihm so gut wie niemand mehr glaubt. Temers Zustimmungsrate in der Bevölkerung liegt unter fünf Prozent. Die Mehrheit der Brasilianer möchte, dass gegen ihn ein Absetzungsverfahren eingeleitet wird.

Nun ist zu erwarten, dass Raquel Dodge den Druck von Temer nehmen wird. Das Team ihres Vorgängers, das die Lava-Jato-Untersuchungen koordinierte, hat sie bereits ausgetauscht. Die Behauptung macht die Runde, dass die neue Generalstaatsanwältin ein weiterer Baustein im Putsch sei, den Michel Temer vergangenes Jahr gegen die demokratisch gewählte Präsidentin Dilma Rousseff initiierte. Diesen Verdacht wird Raquel Dodge erst einmal ausräumen müssen.