Rio 2016: “Unfair Play”

Rio 2016: “Unfair Play”

Vor fast genau einem Jahr stand er im ausverkauften Maracanã-Stadion und verkündete: „Ich bin der glücklichste Mensch der Welt. Es waren sieben Jahre harte Arbeit, aber jede Minute hat sich gelohnt.“

Foto: Wilson Dias/Abr – Agência Brasil (cropped), CC BY 3.0 br, https://commons.wikimedia.org/w/index.php?curid=2436858

Über die Bühne ging damals die Schlusszeremonie der Olympischen Spiele 2016 und Carlos Nuzman strahlte. Als Vorsitzender des Brasilianischen Olympia-Komitees war er gleichzeitig Chef-Organisator der Spiele gewesen – nun war ihm die Erleichterung anzumerken. Denn die Spiele in Rio waren nicht die vielfach befürchtete organisatorische Katastrophe geworden. Es schien, als ob Nuzman aufatmete und das Event abhakte.

Nun haben die Spiele 2016 ihn eingeholt. Am Dienstagmorgen um sechs Uhr früh standen Beamte von Brasiliens Bundespolizei vor Nuzmans Wohnung im noblen Stadtviertel Leblon von Rio de Janeiro. Sie hatten einen Durchsuchungsbefehl dabei und nahmen den 75-Jährigen zum Verhör mit. Der Vorwurf gegen Nuzman lautet, dass er den Kauf von Stimmen organisiert haben soll, die Rio de Janeiro 2009 die Wahl zum Austragungsort der olympischen Spiele bescherten. Denn die Bewerbung Rios sei damals nicht aussichtsreich gewesen; sie habe erhebliche Mängel aufgewiesen.

Schmiergelder in Höhe von zwei Millionen Dollar seien daher an den Sohn des damaligen Präsidenten der Internationalen Leichtathletikverbands, Lamine Diack, geflossen. Der Senegalese war ebenfalls Exekutivmitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOK). Nuzman reiste damals auffällig häugig nach Afrika, so die Ermittler.

Die brasilianische Staatsanwaltschaft hat ihre Operation „Unfair Play“ genannt, insgesamt elf Razzien fanden statt. Neben Nuzman suchten die Ermittler in Rio auch den Unternehmer Arthur de Menezes Soares und dessen Partnerin auf. Sie sollen die Schmiergeldtransfers ausgeführt haben, wofür sie im Gegenzug überteuerte Aufträge des Bundesstaats Rio de Janeiro erhielten. Dieser wurde zwischen 2006 und 2014 vom Gouverneur Sergio Cabral regiert, der seit vergangenem November wegen rund einem Dutzend Korruptionsverfahren im Gefängnis sitzt. Cabral war genau in der Zeit Gouverneur, als viele Bauvorhaben in Vorbereitung auf die Fußball-WM 2014 und Olympia 2016 in Rio umgesetzt wurden. Sie boten erhebliche Möglichkeiten für die Umleitung staatlicher Gelder in die Taschen von Unternehmern, Politikern und Funktionären.

An der Operation „Unfair Play“ ist maßgeblich auch die französische Staatsanwaltschaft beteiligt, ebenso die des Karibikstaats Antigua und Barbuda. Ins Rollen gekommen waren die Untersuchungen durch Aussagen des ehemaligen Chefs des brasilianischen Eissportverbands Eric Maleson, der in Frankreich verhört wurde. Die Franzosen, die eigens eine Sonderstaatsanwaltschaft in Paris gegründet haben, untersuchen nun ebenfalls die Vergabe der Olympischen Sommerspiele 2020 an Tokio. Auch hier floss offenbar im Vorfeld Geld an den IOK-Granden Lamine Diack, der mittlerweile in Frankreich unter Hausarrest steht.

In Carlos Nuzmans Wohnung in Rio de Janeiro fanden die Ermittler umgerechnet 130000 Euro in bar. Er hortete sie in fünf verschiedenen Währungen: Real, Dollar, Euro, Schweizer Franke, Britisches Pfund. Doch das Geld wird Nuzman so schnell nichts mehr nutzen. Neben der Blockierung seines Vermögens, zogen die Staatsanwälte auch seinen Reisepass ein. Nuzman besitzt allerdings auch die russische Staatsbürgerschaft. Die Ermittler vermuten, dass er sie von den Russen als Dank für sein Votum für Sotschi erhielt. In der russischen Stadt fanden 2014 die olympischen Winterspiele statt. Dennoch ist nicht zu erwarten, dass Nuzman, der IOK-Ehrenmitglied und Freund von IOK-Präsident Thomas Bach ist, kommende Woche an der IOK-Sitzung in Lima teilnehmen wird.

Vielmehr steht zu befürchten, dass das IOK in der peruanischen Hauptstadt die Vorwürfe gegen Nuzman als Verfehlungen eines Einzelnen darstellen wird. Doch die Ermittlungen von „Unfair Play“ deuten darauf hin, dass Korruption im IOK Methode hat.