“Besser lebendig in Belgien als tot in Brasilien”

“Besser lebendig in Belgien als tot in Brasilien”

Neugeborene ohne Arme. Babys, denen Brüste wachsen. Larissa Bombardi deckt die Folgen von Pestiziden auf und musste deshalb mit ihren Söhnen fliehen. Ein Besuch im Exil.

Foto: (c) Sebastian Wells

„Es passierte in São Paulo im August 2020. Gegen 23 Uhr kam ich von einer Freundin zurück, wir hatten Wein getrunken. Als ich die Tür zu meinem Haus aufschloss, erstarrte ich. Drei Einbrecher waren da. Auch sie erschraken, sie hatten nicht mit mir gerechnet, und einer suchte nach etwas, mit dem er zuschlagen konnte. Mir kam das komisch vor, weil in Brasilien Einbrecher normalerweise bewaffnet sind, sie haben Pistolen oder zumindest Messer. Die Männer sperrten mich ins Badezimmer und durchsuchten mein Haus. Am Ende stahlen sie einen Fernseher und meinen Laptop. Zum Glück hatte ich alle Daten auf einer externen Festplatte gespeichert. Ich kann nicht sagen, ob der Einbruch etwas mit meiner Forschung über Agrargifte zu tun hatte. Aber er verstärkte die Angst, die ich seit den ersten Drohungen hatte. Ich war sehr erleichtert, dass meine beiden Söhne an jenem Abend bei ihrem Vater waren. Nach dem Einbruch zogen wir zu meiner Schwester und ich verstärkte meine Bemühungen, Brasilien zu verlassen. “

Larissa Bombardi sitzt in einem kleinen verwilderten Garten im Brüsseler Stadtteil Ixelles und genießt die letzten Strahlen der Herbstsonne. Im April ist die Professorin für Geographie mit ihren beiden Söhnen in die belgische Hauptstadt gezogen. Zehn mal haben sie seitdem die Bleibe gewechselt, kamen bei Kollegen oder Bekannten unter oder mieteten ein AirBnb.

Nun hofft die 49-jährige Bombardi endlich etwas Festes gefunden zu haben. Zwar ist das Haus in Ixelles ziemlich heruntergekommen, weil jahrelang eine Studenten-WG darin hauste. Es muss dringend gestrichen werden, es fehlen Betten, Stühle, Küchenutensilien, ein Arbeitszimmer. Aber Bombardi glaubt, das sie sich schon einrichten werde. Das Leben im Exil – es ist für sie vor allem Improvisation. Und es zehrt an ihr. Bombardi spricht kein Französisch und muss für ihre beiden Söhne sorgen, neun und elf Jahre alt.

Ich fühle mich schuldig, weil ich sie aus ihrer gewohnten Umgebung gerissen habe und ihnen all das zumute. Wir leben wie Nomaden. Am Anfang haben sie viel geweint, weil sie nicht verstanden, was los war. Sie fühlten sich einsam, haben mir Vorwürfe gemacht. Aber letztendlich ist es auch besser für sie, eine lebendige Mutter in Belgien zu haben, als eine tote in Brasilien. Und langsam werden wir hier auch heimisch, ich habe schon ein Stammcafé und meine Söhne haben angefangen, Fahrrad zu fahren und Französisch zu lernen. Mir fehlt ein wenig diese typische brasilianische Wärme im menschlichen Umgang, aber zurück nach Brasilien gehe ich auf keinen Fall, solange Jair Bolsonaro Präsident ist. Es herrscht heute ein Klima der Angst unter kritischen Wissenschaftlern.

Larissa Bombardi ist Professorin für Geographie an der Universität von São Paulo (USP), einer der größten und renommiertesten Hochschulen Lateinamerikas. Nun ruht ihre Lehrstelle, die sie seit 2007 ausübte. Der Grund: Die Spezialistin für ländliche Räume fühlte sich in Brasilien nicht mehr sicher, seit sie anonyme Drohungen bekam und öffentlich angefeindet wurde. Zuletzt konnte sie sich nicht mehr frei im Land bewegen.

Es hat mit dem Thema zu tun, das Bombardi erforscht: Pestizide. Sie werden von Brasiliens mächtiger Agrarindustrie intensiv und in steigenden Mengen eingesetzt. Herbizide gegen Unkraut, Fungizide gegen Pilze, Insektizide gegen Insekten. Während Landwirte anderswo verstärkt auf nachhaltigen Anbau setzten, gehen sie in Brasilien den entgegengesetzten Weg. Immer größere Flächen werden für Monokulturen wie Soja, Mais, Baumwolle, Zuckerrohr und Orangen geschaffen, oft durch die Zerstörung wertvoller Ökosysteme wie dem Amazonaswald. Allein die Fläche, auf der in Brasilien heute Soja wächst (386.000 km²), ist laut brasilianischem Statistikinstitut IBGE größer als die Deutschlands (357.000 km²). Gleichzeitig steigt das Volumen der verwendeten Pestizide seit 2016 kontinuierlich an, allein zwischen 2019 und 2020 nahm es laut Agrarministerium um vier Prozent zu. Ingesamt werden jährlich mehr als 500.000 Tonnen Pestizide in Brasilien ausgebracht, in keinem Land auf der Welt sind es mehr. Die Folgen des intensiven Einsatzes von Agrarchemie untersuchte Bombardi schon seit vielen Jahren. Probleme hatte sie deswegen nie. Bis der Ultrarechte Jair Bolsonaro Präsident wurde.

Zu seinen größten Unterstützern zählen Brasiliens Großbauern, denen er versprochen hat, sie gegen zu viel Umweltschutz und die Ansprüche von Indigenen zu verteidigen. Bolsonaro spricht von „scheiß Bäumen“, beschimpft Umweltschützerinnen und Aktivisten als „ausländische Agenten“ und rühmt sich damit, kein einziges Indigenen-Reservat ausgewiesen zu haben. Mit Tereza Cristina da Costa Dias hat er zudem eine Lobbyistin der Großbauern zur Landwirtschaftsministerin gemacht. Seit sie 2019 das Amt übernahm, hat ihr Ministerium fast 1.300 Agrargifte neu zugelassen – ein Rekord. Zu den insgesamt mehr als 3000 zugelassen Produkten zählen auch rund zwei Dutzend, die von der NGO Pesticide Action Network (PAN) als hochgefährlich eingestuft werden. Die Klassifikation beruht auf Kriterien der UN-Ernährungs- und Landwirtschaftsorganisation sowie der Weltgesundheitsorganisation. Sie können die menschliche Gesundheit sowie die Umwelt extrem schädigen.

Das Paradoxe daran: Rund ein Drittel der zugelassenen Agrargifte sind in der EU laut Larissa Bombardi verboten, teils schon seit Jahrzehnten. Dennoch sind es europäische Unternehmen, allen voran die Konzerne Bayer und BASF, die sie herstellen und nach Brasilien verkaufen. Ein weiterer großer Player ist die Firma Syngenta aus Basel, die 2015 vom chinesischen Staatskonzern ChemChina übernommen wurde. Es ist ein Milliardengeschäft – vor allem für die Agrarindustrie, nicht so sehr für die Brasilianerinnen und Brasiliander.

Die ersten Drohungen erhielt ich Mitte 2019. Ich hatte gerade meine Studie über Pestizide ins Englische übertragen lassen. Sie heißt: A Geography of Agrotoxins use in Brazil and its Relations to the European Union“ [Geographie des Pestizid-Einsatzes in Brasilien und die Verbindungen zur EU]. Ich präsentierte sie auch in Berlin. Auf der Veranstaltung fragte mich ein Journalist, ob ich noch nie Drohungen erhalten habe; ich würde mich mit mächtigen Interessengruppen anlegen. In dieser Nacht schlief ich nicht. Ich begriff, dass die englische Version meiner Studie viel heikler war als das Original auf Portugiesisch. Jetzt würde man auch in Europa auf die Zustände in Brasilien aufmerksam. Der brasilianischen Agrarindustrie ist es ziemlich egal, wenn Menschen in Brasilien durch sie Schaden nehmen. Aber wenn das Ausland aufmerksam wird und dadurch Profiteinbußen drohen, dann reagieren sie. Ich hatte in ein Wespennest gestochen.

In ihrer Studie schlüsselt Bombardi auf, wo genau in Brasilien welche Mengen Agrarchemie eingesetzt werden. Dann zeigt sie, in welchen Gemeinden besonders häufig Fälle von Pestizid-Vergiftungen auftreten. Wo werden auffällig viele Babys mit Missbildungen geboren, wo ist die Krebsrate besonders hoch, wo gibt es überdurchschnittlich viel Autismus unter Kindern. Die Daten bekam sie von Gesundheitsämtern und von der Umweltbehörde Ibama, sie sind öffentlich.

Schließlich legte Bombardi die Karten übereinander und schloss, dass der enorme Pestizideinsatz verheerende Folgen für Brasiliens Landbevölkerung hat: Wo besonders viele Pestizide versprüht werden, haben die Menschen überdurchschnittlich viele Gesundheitsprobleme. Im Bundesstaat São Paulo sind beispielsweise Missbildungen bei Föten dort verbreitet, wo Zuckerrohr-Monokulturen vorherrschen. Die Pestizide werden oft mit Sprühflugzeugen ausgebracht und verwehen. Sie landen in Wohngebieten, in Schulen, Gewässern und auf den Feldern von Kleinbauern.

Diese Daten sind für mich wie Bulldozer. Durch meine Karten erkennt man die Zusammenhänge sofort. Sie liefern ein Röntgenbild der Realität. Es gibt einen Ort in Brasilien, der für mich das ganze Drama symbolisiert: Er heißt Limoeiro do Norte und liegt im Nordosten. Dort wachsen Zweijährigen Schamhaare und Brüste. Ihr Hormonhaushalt ist völlig gestört. Babys werden ohne obere Extremitäten geboren, die Krebsrate liegt fast 40 Prozent über dem Durchschnitt. All dies ist auf den jahrelangen übermäßigen Einsatz von Pestiziden zurückzuführen.

Nach der Veröffentlichung von Bombardis Studie kündigte die schwedische Supermarktkette Paradiset an, alle Produkte aus Brasilien aus dem Sortiment zu nehmen. Ihr Gründer, Johannes Cullberg, nannte den exzessiven Pestizideinsatz als einen Grund und schuf den Hashtag #boycottbrazilianfood. Bombardi hatte die Industrie an ihrem empfindlichsten Punkt getroffen: dem Geld. 

Zurück in Brasilien bekam ich einen Anruf von einem Mann, der sich als Pilot eines Sprühflugzeuges ausgab. Wenn ich meinte, dass es unsicher sei, was er tue, könnte ich ja mit ihm fliegen. Er würde mir schon zeigen, wie sicher es sei. Es war eine Drohung. Dann meldete sich eine Journalistin und fragte, ob ich an einer Radiosendung teilnehmen wolle. Kurz darauf sagte sie ab, weil es gefährlich für mich werden könnte. Ich wusste gar nicht, was sie meinte, aber ich spürte Panik in mir aufsteigen. Dann zog der Ex-Landwirtschaftsminister Xico Graziano meine Arbeit im Internet in den Schmutz. Was mich am meisten erschreckte, war sein rüder, aggressiver Ton. Er wollte keine inhaltliche Debatte, sondern Krawall.

Graziano schrieb: „Professorin Bombardi ist die Autorin dieses fürchterlichen Textes, der mit großem Tamtam im Ausland veröffentlicht wurde. Rücksichtslos feuert sie mit ihrem Maschinengewehr gegen die Agrarindustrie, die Rohstoffproduktion, Ethanol, Eukalyptus, einfach alles. Gegen den Agrarkapitalismus.“ Als bekannt wurde, dass Bombardi ins Exil gehen wollte, kommentierte Graziano, dass sie vagabundiere. Der Begriff „vagabundagem“ ist extrem frauenfeindlich besetzt. Grazianos Kommentar bedeutete soviel wie: Bombardi ist eine Schlampe.

Diesen Ton gab es früher nicht in Brasilien, aber unter Bolsonaro ist er für manche Leute normal geworden. Es schafft ein Klima der Aggression. Einmal wurde ich zu einem Vortrag in den konservativen Bundesstaat Santa Catarina eingeladen. Dort ist die Agrarindustrie sehr stark. Der Rektor meiner Uni sagte: „Gehe nicht, es ist zu gefährlich!“ Also ging ich nicht. Ich lebte in der Zeit in ständiger Angst um mich und meine Kinder. Ich schlief kaum noch. Einmal riet mir ein Aktivist von Brasiliens Landlosenbewegung, deren Mitglieder oft bedroht und mitunter auch ermordet werden, dass ich täglich meine Wege ändern solle. Von einem befreundeten Journalisten erfuhr ich, dass man mich im Agrarministerium auf dem Schirm habe. Ich sagte mir, dass ich nicht paranoid werden dürfe. Meine Söhne sollten so wenig wie möglich von der Situation mitkriegen und ich filterte alle Informationen für sie. Sollte ich ihnen sagen, dass ihre Mutter bedroht wird? Das wäre nicht gut für sie gewesen, aber es war auch nicht einfach für mich, so zu tun, als ob alles in Ordnung wäre. Ich musste auch die Attacken auf meine Arbeit beantworten. Ich habe ja nicht jahrelang geforscht, um mir alles so einfach kaputt machen zu lassen.

Larissa Bombardi ist ein Opfer des Angriffs auf die Wissenschaften, der in Brasilien seit der Machtübernahme Jair Bolsonaros rollt. Er hat die universitäre Autonomie bei der Benennung neuer Rektoren eingeschränkt und die Mittel für Stipendien, Forschungsprojekte und akademische Austauschprogramme gestrichen. Nicht genehme Forscher im Staatsapparat, etwa der Umweltbehörde Ibama, wurden kaltgestellt. Eine Lehrerin wurde entlassen, weil sie über indigene Kultur im Unterricht sprechen wollte, um nur einige Beispiele zu nennen.

Der Grund für die Attacken ist so simpel wie absurd: der Diktaturverherrlicher Bolsonaro misstraut Akademikerinnen und Intellektuellen. Er hält sie für potentielle Kommunisten, die die Nation bedrohten, die Institutionen unterwanderten und die Sitten verderbten. Zuletzt kürzte seine Regierung umgerechnet rund 100 Millionen Euro aus dem Etat des Wissenschaftsressorts. Experten warnen bereits vor einem Kollaps der Forschung im Land.

Die Coronapandemie verzögerte meine Pläne, Brasilien zu verlassen. Als es soweit war, half uns ein Berater der Linken-Fraktion im EU-Parlament, in Brüssel Fuß zu fassen. Zuvor hatte die Freie Universität Brüssel ein Forschungsprojekt von mir angenommen. Dafür erhalte ich ein Stipendium, das fast komplett für die Miete draufgeht, finanziell zehrt das Exil sehr an mir. In meiner aktuellen Forschung geht es um Green Criminology. Ich untersuche Abholzung, Brandstiftung, Landtitelfälschung im Amazonasbecken. Ich erstelle gerade eine Kartografie dieser Verbrechen. Wissen Sie, was ist passiert? Als ich begann für die Zeitschrift “Criminological Encountersein Ausgabe zum Thema Green Criminology zu editieren, wurde sie von Hackern angegriffen und musste vom Netz gehen. Die Attacken kamen allesamt aus Orten dem Hinterland Brasiliens, wo die Großgrundbesitzer stark sind. Nun läuft leider mein Stipendium im Dezember aus, und ich muss schauen, wie es dann weitergeht. Das macht mir Angst, aber zurück nach Brasilien gehe ich nicht. Ehrlich gesagt, habe ich auch gar kein Heimweh. In Brüssel fiel ein enormer Druck von mir ab. Am ersten Morgen wachte ich auf und fühlte mich leicht. Als nächstes möchte ich mich der Idee von internationalen Regeln für den Einsatz von Pestiziden widmen. Es kann nicht sein, dass bestimmte Stoffe in der EU verboten sind, aber dass Bayer und BASF sie an Entwicklungsländer verkaufen. Lebensmittel sollen eine Quelle des Lebens sein, nicht von Tod und Krankheit.

Bombardi bezeichnet das System als „Molekular-Kolonialismus“: Die Europäer exportieren Pestizide und importieren billige Agrarrohstoffe. Zurück in Brasilien bleibt das Gift. Brasiliens Staat kümmert das wenig. Die erlaubten Limits für Pestizidrückstände in Lebensmitteln liegen ein Vielfaches über denen der EU. Die Obergrenze für das Unkrautvernichtungsmittel Glyphosat im Leitungswasser ist etwa 5.000 mal höher.

Die Pestizide bleiben jedoch nicht in Brasilien, sie kommen mit Agrarprodukten zurück nach Europa. Man kann von einem Gift-Kreislauf sprechen. Die Umweltorganisation Greenpeace hat in diesem Jahr Früchte aus Brasilien auf Pestizidrückstände testen lassen: Mangos, Papayas, Melonen, Feigen und Limetten. Mehr als zwei Drittel waren belastet – auch mit Pflanzenschutzmitteln von Bayer und BASF. In  In vier Fällen wurde der gesetzliche Pestizidgrenzwert überschritten. Die Früchte, die Greenpeace untersuchte, kamen aus Supermärkten, Discountern und Großmärkten. Insgesamt wurden 35 verschiedene Wirkstoffe gefunden, darunter elf, die in der EU nicht zugelassen sind und 21 die zur Kategorie HHP zählen, also als hochgefährlich gelten. 

Ein Pestizid, das Greenpeace vermehrt fand, war das Fungizid Carbendazim, das in der EU seit 2016 verboten ist. Es soll Gendefekte, Unfruchtbarkeit, Schädigung von Föten sowie den Tod vieler Wasserlebewesen auslösen. Dennoch wurden laut Umweltbehörde Ibama in Brasilien allein im Jahr 2018 rund 4,800 Tonnen des Pestizids verkauft. Es wird beim Anbau von Bohnen, Soja, Weizen, Mangos, Papayas und Limetten eingesetzt. Zu den Firmen, die Carbendazim nach Brasilien verkaufen, gehört auch der deutsche Bayer-Konzern.

Zu den von BASF exportierten Pestiziden zählt das Insektizid Fipronil. Es steht im Verdacht, massive Bienensterben auszulösen. 2017 wurde es in der EU verboten. Aber in Brasilien verkauft BASF den Stoff weiterhin. Wissenschaftler machen es hier für den Tod von fast einer halben Milliarde der Insekten zwischen 2018 und 2019 verantwortlich

Für Bayer und BASF zeichnen Studien wie die von Larissa Bombardi ein Zerrbild der Realität. In langen E-Mails legen die Unternehmen auf Anfrage von ZEIT ONLINE dar, warum der Pestizideinsatz in Brasilien anders zu bewerten sei als in der EU. Aufgrund des tropischen Klimas würden in Südamerika andere Produkte zum Schutz der Pflanzen benötigt als in Europa, schreibt etwa BASF. Der Konzern hebt hervor, dass alle BASF-Produkte auf Basis der in Brasilien geltenden Richtlinien zugelassen worden seien. 

Beide Konzerne schreiben auch, dass sie verstünden, wenn die EU-Verbraucher besorgt seien, wenn importierte Lebensmittel Rückstände von Pflanzenschutzmitteln enthielten. Allerdings würden Pflanzenschutzmittelrückstände nicht automatisch ein Risiko darstellen. Und zweitens werde einer Gefährdung der Verbraucher schon seit langer Zeit durch die Behörden erfolgreich und zuverlässig vorgebeugt, so der Bayer-Konzern. Eine Studie der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) habe festgestellt, dass 2019 circa 98 Prozent der Proben innerhalb der vorgegebenen Grenzwerte lagen.

Schließlich betonen Bayer und BASF, dass sie Hunderttausende Bauern und Landarbeiter im sicheren Umgang mit ihren Produkten geschult hätten und weiterhin schulen. „Alle zugelassenen, von uns verkauften Wirkstoffe sind sicher für Mensch und Umwelt, wenn sie gemäß der Anwendungshinweise verwendet werden“, schreibt Bayer. Dennoch kündigt der Konzern an, bis 2026 neun Produkte freiwillig vom Markt zu nehmen, darunter auch Carbendazim.

Für Larissa Bombardi ist das zynisch. Sie glaubt, das für die Industrie nur ein Kriterium zählt: der Profit. Er sei ihnen wichtiger als die Gesundheit der Menschen in Entwicklungsländern wie Brasilien.

Wenn ich irgendwann zurück in meine Heimat gehe, werde ich meine Arbeit selbstverständlich fortsetzen. Eine Landwirtschaft ohne Gift muss möglich sein. Die Wissenschaft ist dazu da, die Welt zu verbessern. Wenn sie nicht die Welt besser macht, wozu dient sie dann? Dafür nehme ich auch in Kauf, aus meinem Land flüchte zu müssen.